Offener Brief zum Ungang mit geopolitischen Konflikten an Schweizer Hochschulen

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Position zum Umgang mit geopolitischen Konflikten an Schweizer Hochschulen
Die Folgen und Auswirkungen einer Zeit, die von Kriegen, Ungewissheit und gesellschaftlichen Konflikten
geprägt ist, zeigen sich in unterschiedlichen Bereichen des alltäglichen Lebens – so auch an
schweizerischen Hochschulen. Als aktuelles Beispiel hat vor knapp über drei Monaten der langjährige
Israel-Palästina Konflikt eine neue Eskalationsstufe erreicht. Mit dem Angriff der Hamas und der seitherigen
Reaktion der Israel Defense Forces (IDF), ist der zurückreichende Konflikt in diversen Bereichen
aktuell. Die Art und Weise, wie über den Konflikt im Nahen Osten gesprochen, der Sachverhalt analysiert
und das Geschehen eingeordnet wird, ist dabei von entscheidender Bedeutung. Das folgende Positionspapier
will sich weder inhaltlich noch politisch positionieren. Es wird sich ausschliesslich auf den
Umgang der schweizerischen Hochschulen mit Konflikten beziehen und deren problematische Praktiken
aufzeigen und kritisieren.

Beschreibung der Situation anhand des Israel – Palästina Konflikts
Wir sind Zeugen eines Konflikts, welcher durch das Zeitalter der Digitalisierung (wie Soziale Medien und
Fake News) neue Komplexitäten und Herausforderungen mit sich bringt. Durch diese Veränderungen
sind Hochschulen besonders gefragt, ihre Verantwortung als Stätte der Lehre und des offenen Diskurses
wahrzunehmen. Das Schweigen der Schweizer Hochschulen betreffend des Gesamtkonflikts ist dabei
eine Erschwerung des Prozesses einer faktenbasierten Auseinandersetzung mit diesem Thema. In
den Medien wird seit dem 7. Oktober 2023 eine starke Polarisierung auf politischer und sozialer Ebene
ausgetragen. Im Zentrum steht dabei mitunter ein intellektuelles Vakuum, in welchem rationaler Diskurs
und empirisch belegte Wissenschaften verschwinden. Sachliche, auf Empirie und Wissen gestützte Diskussionen
werden, vor allem auf institutioneller Ebene, wenig geführt. Zu gross sind die Emotionalisierung
und Betroffenheit – verständlich, aber nicht förderlich für eine zielführende und sinnvolle Debatte.

Unsere Kritik an Schweizer Hochschulen
Momentan wird ein Klima des Schweigens gelebt und gefördert. Jegliche Art von konstruktivem und offenem
Diskurs wird verweigert. In der Vergangenheit wurde an Schweizer Hochschulen auch schon ein
offenerer Umgang in Bezug auf gewisse andere Konflikte gepflegt.
Das Klima des Schweigens, gekoppelt mit sehr selektiven Äusserungen, wird von den Medien oft negativ
aufgenommen. Dies hat unbegründete Kritik an gewissen Studiengängen und Forschungsaktivitäten
zur Folge. Die Situation der Studierenden, welche in den betroffenen Feldern studieren und forschen,
wird dabei nicht beachtet. Sie werden durch institutionelles Schweigen weder geschützt noch darin bestärkt,
ihre legitime Forschung weiter zu betreiben.
Das Verfehlen der von Hochschulen gesetzten Ziele ist ein Verfehlen der eigenen Verantwortung. Die
Hochschulen haben einen Auftrag, den es einzuhalten gilt und welchen sie sich selbst zum Ziel setzen.

Zur Veranschaulichung drei Beispiele:
1. In der Strategie 2022 – 2030 der Universität Basel steht “Die Lehre hat zum Ziel, die Studierenden
zu eigenständigem, kompetenten und verantwortungsbewussten Wirken in Wissenschaft,
Wirtschaft und Gesellschaft zu befähigen”.

2. In ihrer Verurteilung der Terrorangriffe schreibt die UZH “Als Universität stehen wir für einen offenen
Dialog, für Vielfalt, Toleranz und ein friedliches Zusammenleben aller Menschen”.

3. Die Universität Bern fasst ihre Vision in drei Worten zusammen: „Wissen schafft Wert”.

Wir kritisieren, dass diese gesetzten Anforderungen der Hochschulen aufgrund mangelnden Aufwands
nicht einmal ansatzweise umgesetzt werden. Beispiele von Schweizer Hochschulen, an welchen die
fehlende Praxis zu Missständen geführt hat, stellen einerseits die UZH (siehe die Position des Studierendenverband
VSUZH) bezüglich unpräziser und selektiver Kommunikation, sowie die Universität Basel,
welche medialen Aufruhr erleben musste, bei welchem Forschung und Lehre des Fachbereichs “critical
urban studies” mit Antisemitismus und Aktivismus gleichgesetzt wurden. Das Schweigen und fehlende
Umsetzen der selbsterklärten Ziele stellt hierbei eine Befeuerung des medialen Aufruhrs dar.

Unsere Forderungen
Räume für wissenschaftliche, kritische und sachliche Diskussionen

Es besteht ein Bedürfnis und eine Notwendigkeit von wissenschaftlich gestützten Informationen, losgelöst
von emotionalen und politischen Argumenten. Dies beinhaltet zum einen die Auseinandersetzung
mit der geschichtlichen sowie geopolitischen Einordnung des Israel-Palästina Konfliktes, sowie einer
konkreten Differenzierung im Gebrauch von Begriffen und deren Bedeutung. Hochschulen sind in der
Verantwortung, Wissen zu vermitteln und Raum für Diskurse zu schaffen, zugunsten ihrer Studierenden
und insbesondere auch als Dienst an der gesamten Gesellschaft.


Räume für gegenseitige menschliche Unterstützung und Austausch

Zeiten der Krise fordern Zusammenhalt aller Menschen – unabhängig von der eigenen Positionierung.
Wir fordern, dass die Hochschulen den nötigen Raum bieten, damit sich Menschen finden und treffen
können, um die Geschehnisse gemeinsam zu besprechen und zu verarbeiten. Dabei sollte darauf geachtet
werden, dass Menschen, mit direkten Bezugspunkten zum Konflikt, das nötige Verständnis entgegengebracht
wird, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu agieren. In einem offenen, verständnisvollen
und respektvollen Umfeld, wie es von Hochschulen erwartet wird, sollte ein Austausch nicht nur möglich
sein, sondern auch gefördert werden.

Zugängliche Informationsquellen – keine Unterscheidung von Konflikten

Den Betroffenen des Russland-Ukraine Konflikts von swissuniversities zur Verfügung gestellten umfangreichen
Ressourcen und Anlaufstellen sollten für Betroffene des Israel-Palästina Konflikts und Betroffenen
zukünftiger Konflikte ebenfalls zur Verfügung gestellt werden. Wir fordern ganz allgemein,
dass in Zukunft in dieser Hinsicht nicht zwischen Konflikten differenziert wird und nötige Informationen und
Anlaufstellen standardmässig bereitgestellt werden.

Wahrnehmung der eigenen Rolle in der Gesellschaft

Wir fordern insgesamt, dass Schweizer Hochschulen sich ihrer selbsterklärten Rollen und Pflichten in
der Gesellschaft und gegenüber ihren Studierenden bewusst werden und zu den genannten Punkten
Stellung nehmen. Hochschulen sollen ein Ort sein, an welchem mit Offenheit, Kritik und Wissen gemeinsam über solche Themen rational diskutiert werden kann. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina darf kein Präzedenzfall für das Ausblenden von Themen aus dem akademischen und auch gesellschaftlichen Diskurs werden. Deshalb fordern wir eine klare Kommunikations- und Handhabungsstrategie, an welchen sich die Schweizer Hochschulen auch in Zukunft orientieren können.

Wissenschaftsfreiheit

Wir erkennen an, dass die Schwerpunkte und Forschungsobjekte der Forschenden von ihren subjektiven Standpunkten und Hintergründen beeinflusst und mitgestaltet werden. Durch die Einhaltung der wissenschaftlichen Standards und -richtlinien erhalten die Forschungsobjekte jedoch objektive Gültigkeit und sollten dementsprechend nicht auf einem politischen Spektrum eingeordnet und anhand dessen akzeptiert oder diffamiert werden. Wissenschaftliches Gedankengut stellt, sofern es nach wissenschaftlichen Standards erbracht wurde, ein freies und neutrales Faktum dar, das nicht unangemessen instrumentalisiert oder zensiert werden darf. Die bisherige Beeinflussung und Zensur durch die Medien und die Hochschulleitungen erachten wir als Verletzung der Wissenschaftsfreiheit, die durch unsere Bundesverfassung geschützt ist. Wir fordern, dass Kritik seitens der Medien, Politik und Wirtschaft an
der Wissenschaftlichkeit eines Forschungsobjekts durch die Hochschulleitungen nach den allgemein gültigen Standards der Forschung geprüft und gegebenenfalls klar zurückgewiesen wird.

Wir erhoffen uns einen gemeinsamen Weg nach vorne und dass diese Position der Anfang für einen offenen Dialog an Schweizer Hochschulen wird. Wir hoffen, dass diese Nachricht im Sinne des offenen Diskurses wahrgenommen wird und sind zuversichtlich, dass der Dialog über die Rolle der Schweizer
Hochschulen in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung in dem offenen, verständnisvollen und rationalen Umfeld stattfinden kann, den wir alle von unseren Hochschulen erwarten.

Verabschiedet vom Sektionsrat am 24.01.24.




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