In einem Artikel der “Zeit” vom 28. Februar 2013 haben verschiedene ProfessorInnen und Hochschulangehörige deutlich ihre Sorge um die Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinne haben die 27 ErstunterzeicherInnen eine Petition lanciert, die eine kritische Diskussion zu Drittmitteln verlangt.
Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) freut sich über diese längst fällige Positionierung der Wissenschaft. Die Studierenden äussern sich seit geraumer Zeit und immer wieder erneut kritisch gegenüber der Einwerbung von Drittmitteln und den sich daraus ergebenden Abhängigkeiten. Der VSS versteht die Hochschulbildung als öffentliches Gut, dessen Finanzierung substanziell aus öffentlichen Mitteln erfolgen muss.
Grundsätzlich ist für die Zulässigkeit privater Finanzierung zwischen Lehre, Grundlagenforschung und spezialisierter Forschung zu differenzieren. Die Lehre dient öffentlichen Interessen und darf nicht von privatwirtschaftlichen Motiven bestimmt werden. Eine private Finanzierung der Lehre ist somit im Grundsatz abzulehnen. Auch die Grundlagenforschung dient dem öffentlichen Interesse und soll dementsprechend ebenfalls öffentlich finanziert werden. Für spezialisierte Forschung kann und soll der private Sektor jedoch ergänzend zur Finanzierung der Hochschulen beitragen dürfen.
Eine private Finanzierung von Lehre und Forschung birgt für die Unabhängigkeit der Wissenschaft jedoch immer Risiken. Denn wer Kapital investiert, möchte auch über die Verwendung seiner Gelder (mit-)entscheiden können. Sobald Lehre und Forschung in grösserem Umfang von einzelnen Privaten finanziert werden, ist die wissenschaftliche Lehr- und Forschungsfreiheit gefährdet. Die Bildung der Gesellschaft und die Diskussion innerhalb der Lehre und Forschung könnte mit einer derartigen Entwicklung zu weiten Teilen der demokratischen Kontrolle entzogen werden. Das zentrale Fundament eines jeden Lernens, Forschens und Lehrens muss aber der Erkenntnisgewinn sein. Jede mögliche Abhängigkeit von Lehre und Forschung muss konsequent vermieden werden.
Aus diesem Grund ist das Nachdenken über Alternativen in der Drittmittelverteilung dringend notwendig. Der VSS wies auch schon in früheren Positionierungen darauf hin, dass neue Formen durchaus möglich wären. So ist beispielsweise die Einrichtung von Pools an den Hochschulen für die Vergabe von Drittmitteln denkbar: Würden Private einer Hochschule zweckgebundene Mittel zur Verfügung stellen, würde ein bestimmter Anteil ihrer Donation (z.B. 20%) automatisch in einen allgemeinen Pool fliessen, welcher dann unabhängig von der Zielsetzung der Privaten in anderen Bereichen der Hochschule verwendet werden könnte. Den Entscheid über die Verwendung der Gelder aus diesem Pool müsste ein aus VerterInnen der Hochschulleitung, der Dozierenden, des Mittelbaus, der Mitarbeitenden und der Studierenden paritätisch zusammengesetztes Gremium der hochschulinternen Selbstverwaltungsstruktur treffen. Ebenfalls vorstellbar wäre die Einrichtung eines gesamtschweizerischen Fonds, der die Akquisition und die Vergabe aller Drittmitel koordiniert und von einer unabhängigen Organisation kontrolliert wird.
Jedenfalls bedarf es für die Möglichkeiten der privaten Finanzierung klarer Richtlinien, welche Akquirierung und Verwendung privater Drittmittel regeln und somit Sicherheit, Einheitlichkeit und Transparenz gewährleisten.
Ein Hochschulsystem hoher Qualität bildet den Grundstein für eine funktionierende Demokratie und eine stabile Wirtschaftsordnung. Dieses Hochschulsystem braucht ein sicheres und ausbaufähiges Finanzierungsmodell, das letztendlich nur der Staat im Rahmen seiner gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Aufgaben garantieren kann. Die substanzielle öffentliche Finanzierung der Hochschulen ist unabdingbar: Bildung ist ein öffentliches Gut und soll allen nach Neigung und Fähigkeit zugänglich sein. Der Bund und die Kantone sind gefordert, die für eine gute Lehre und Forschung nötigen Mittel der tertiären Bildung und Forschung zukommen zu lassen.
Aus diesen Gründen schliesst sich der VSS der Forderung der PetentInnen an, Kooperationen der Hochschulen mit der Privatwirtschaft kritisch zu hinterfragen und “dem kostbaren und von der Verfassung geschützten Gut der akademischen Freiheit und Unabhängigkeit Sorge zu tragen” und appelliert an alle EntscheidungsträgerInnen, sich zur Unabhängigkeit der Wissenschaft zu bekennen und nach diesem Grundsatz zu handeln.
Für weitere Informationen
Manuela Hugentobler, Vorstandsmitglied
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