Luzern macht Studierende zu Investitionsgütern

Das Luzerner Parlament hat gestern sein neues Stipendiengesetz behandelt. Falls das Parlament bis zur 2. Beratung nicht noch seine Meinung ändert, wird Luzern damit zum ersten Kanton, der einen Teil der Darlehen zur Ausbildungsfinanzierung an Private auslagert. In Zukunft müssen sich einige AntragstellerInnen bei studienaktie.org vermarkten, um überhaupt studieren zu können. Dieser Schritt hin in Richtung mehr Chancenungleichheit ist eine der grössten Fehlentscheidungen der letzten Jahre im Stipendienwesen und zeigt erneut, wie notwendig die Stipendieninitiative des VSS ist bzw. was es heisst, wenn sich der Bund immer mehr aus der finanziellen Verantwortung zieht.

Ob sich der Luzerner Kantonsrat tatsächlich bewusst war, welche Konsequenzen ein Ja zum neuen Stipendiengesetz haben wird, ist schleierhaft. Es scheint ihn jedenfalls nicht zu stören, dass sich die öffentliche Hand mit diesem Gesetz aus der Verantwortung stiehlt und die Aufgabe der subsidiären staatlichen Ausbildungsfinanzierung an Private abgibt. Das neue Gesetz sieht vor, dass Studierenden, denen die zugesprochenen kantonalen Stipendien und Darlehen nicht ausreichen, auf private Mittel zurückgreifen können, anstatt mehr kantonale Mittel zur Verfügung zu stellen.

Der Kanton Luzern scheitert am Versuch, ein chancengleiches Stipendienwesen zu schaffen. Er verweigert sich der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle mit den entsprechenden Neigungen und Fähigkeiten Zugang zur höheren Bildung haben und lässt StudieninteressentInnen im Regen stehen. Denn ob sich ein Investor von studienaktie.org tatsächlich für das eigene „Bildungsprojekt“ interessiert, ist unvorhersehbar und von den Gehaltsaussichten der Studierenden abhängig. Schliesslich lockt studienaktie.org potentielle InvestorInnen mit dem Versprechen einer Rendite, indem am zukünftigen Gehalt der AbsolventInnen partizipiert werden soll. Das Stipendienwesen wird als Markt missverstanden und es wird völlig ausser Acht gelassen, dass Bildung ein öffentliches Gut ist, das nicht gehandelt werden kann.

Dies führt dazu, dass sich Studierende, die von der pseudo-staatlichen Finanzierung abhängig sind, wohl ganz genau überlegen werden, mit welchem Studium sie ihre Schulden sicher und schnell abbezahlen können. Daraus ergibt sich eine Benachteiligung gegenüber finanziell besser gestellten Studierenden, die frei wählen können, welches Studium sie aufnehmen. Ausserdem folgt daraus eine arbeitsmarktliche Fehlentwicklung, weil die StudieninteressentInnen sich für diejenigen Studiengänge entscheiden werden, die im Moment zwar eine sichere Arbeitstelle und einen hohen Lohn garantieren, von denen aber niemand sagen kann, ob sie das in fünf Jahren immernoch tun. „Die schleichende Privatisierung des Stipendienwesens in Luzern verstärkt die bestehende Chancenungleichheit erneut und beweist, dass die Aufgabe der Regelung der Ausbildungsbeiträge die Kantone überfordert: Schliesslich hat auch das Stipendien-Konkordat der EDK diesen Fehlentscheid nicht verhindert“ sagt Mélanie Glayre, Vorstandsmitglied des VSS.

Der VSS ist über die Diskussion des Luzerner Kantonsrates konsterniert und appelliert an die Mitglieder des Rates, das Gesetz abzulehnen und für ein chancengleiches Stipendienwesen zu sorgen. Damit endlich auch in Luzern alle die ihnen entsprechende Ausbildung in Angriff nehmen können, gibt es jedoch nur eine Lösung: Die Annahme der Stipendieninitiative und die mit ihr einhergehende dringend notwendige materielle Harmonisierung. Es ist Zeit, dass die Politik Verantwortung übernimmt – weil Ausbildung Zukunft schafft!